Tausend rote Tore
Eines der bekanntesten Bilder aus Japan ist ein Blick in einenTunnel aus roten Balken. Es zeigt einen kleinen Teil der Tausend roten Tore in Fushimi-Inari. Inari ist ein Tempel, der dem Gott und der Göttin der Fruchtbarkeit, des Reises und der Füchse geweiht ist. Die Statuen, ein Fuchs und eine Füchsin, sind in der weitläufigen Anlage Fushimi Inari-Taisha allgegenwärtig.
Am Fuß des Hügels stehen zwei größere, wunderschöne Tempel, das Holz in eben jenem Zinnoberrot gestrichen, das mir bereits beim Kyoto-Tower aufgefallen ist. In beiden Tempeln werden gerade Riten abgehalten. In einem sitzt ein Priester, mit dem Gesicht zum Heiligtum, und betet laut. Er trägt ein aufwendiges weißes Gewand und eine schwarze Kopfbedeckung. Im zweiten Tempel, rechts davor, sind drei Priesterinnen am heiligen Werk. Es sind junge Damen in weißen Gewändern mit langen Ärmeln. Sie singen, schlagen Trommeln und bewegen sich dabei sehr anmutig. Und sie sind heiter. Keine Spur des grimmigen Ernstes, der religiöse Zeremonien oft kennzeichnet. Sie sprechen zwischendurch miteinander, lächeln sich an, ohne dass ich das Gefühl hätte, hier leidet die Würde. Fotografieren und Filmen sind streng verboten, nicht aber Tonaufnahmen mit dem Fieldrecorder.
Der Pilgerweg
Wir schließen uns dem Tross von Besuchern an, die den Pilgerweg durch die Tausend Tore nehmen. Hin und wieder stoppe ich, um Fotos zu machen. Aber der Versuch, ein Bild ohne Leute zu machen ist aussichtslos. Auf einer Informationstafel glaube ich zu lesen, der Weg dauere 30 Minuten. Das ist ja gar nichts, denke ich. Masae fragt, ob ich wirklich den ganzen Weg gehen will. Na horschema! Was sind schon 30 Minuten? Wenn wir schon mal hier sind... Und verlaufen kann man sich auch nicht. Aber verschätzen.
Der Weg scheint immer länger zu werden. Ich realisiere, 30 Minuten waren es bis zur nächsten Infotafel. Der Weg geht meist bergauf, an steileren Stellen geht es Stufen hinauf, mitunter führt er wieder ein Stück bergab. Masae leidet.
Immer wieder stehen kleine Tempel oder Gedenkstätten links und rechts vom roten Weg. Die Besucherdichte nimmt allmählich ab. Zeit, um die Fotos ohne Besucher zu machen. Mitunter bewegen wir uns in tiefer Waldesstille. Sie wird noch unterstrichen durch den Gesang der japanischen Nachtigall, deren schöne Schluchzer zwischen den Bäumen hallen.
Immer weniger Souvenirläden und Devotionalienverkäufer sind hier oben. Da freut es die Wandersleute, wenn ein kleines Gasthaus am Wege geöffnet hat. Wir können eine Pause gut gebrauchen. Die Auswahl ist bescheiden. Wir nehmen Kitzune Soba. Das ist eine Nudelsuppe mit Gemüse und frittiertem Tofu. Das Restaurant ist ein einstöckiges Holzgebäude, die Gaststube hängt über einer kleinen Schlucht, die mit schönen alten Ahornbäumen bewachsen ist. Wir sehen hinaus in ein flirrendes Kaleidoskop aus hellgrünem Licht und dunkelgrünen Schatten. Dazwischen immer wieder die schwarze Stämme und Äste der anmutigen Bäume.
Masae geht es besser. Wir machen uns wieder auf den Weg. Je weiter wir vorankommen, desto mehr Tore zeigen eindeutige Zeichen der Verwitterung. Manche sind geflickt, andere sehen aus, als machten sie es nicht mehr lange. Das leuchtende Zinnoberrot verblasst mit der Zeit, das Wetter und wohl auch die Termiten setzen den hölzernen Toren arg zu. Es sind nun auch häufiger Lücken zwischen den Toren. Nur noch vereinzelt begegnen wir Besuchern. Das sind wohl die hartgesottenen.
Als wir an einem geschlossenen Lädchen vorbeikommen, ertönt von dem Grundstück etwas wie das Gebell eines kleinen Hundes, und zwar aus Minilautsprechern. Das schreckt nun aber wirklich niemanden ab – schlecht immitiertes Gebell aus billigen Lautsprechern, denke ich. Das Geräusch hat etwas von Lachsack an sich, nur halt mit Gebell. Aber nicht nur am Lädchen, sondern immer wieder entlang des Weges erklingt dieses lachhafte Bellen. Es sind Frösche, die in einem Rinnsal leben, das neben dem Weg läuft.
Bald oben
Fast drei Stunden steigen wir nun schon bergan. Ein Ende ist nicht in Sicht, dafür ein Shop für Devotionalien, es gibt auch Kaffee. Das passt. Bei Kaffee und Gebäck aus der Packung kommen wir mit dem Ladenbesitzer ins Gespräch. Er verkauft unter anderem Nachbildungen von Toriis in unterschiedlichen Größen und Preisklassen. Sie sind aus dem Holz der alten Toriis geschnitzt, zinnoberrot angestrichen und man kann sie mit Datum, persönlichem Namen und seinem Anliegen beschriften lassen. Das macht der Ladenbesitzer sorgfältig mit Pinsel und Tusche. Danach hängt man sein so personalisiertes Torii an eine der vielen Gedenkstätten am Pilgerweg.
Ob denn die Termiten ein großes Problem seien, für die Holztore, will ich wissen. Ja, das sind sie sagt Herr Yamada, aber das sei nicht wirklich schlimm. Wie lange die Tore denn halten, will ich wissen. Je nachdem, zwanzig bis dreißig Jahre. Man könnte ja gar keine neuen Tore aufstellen, wenn die alten nicht kaputt gingen. Ach so! Das ist das Geschäftsmodell!
Erfrischt steigen wir weiter bergan. Schließlich erreichen wir den Höhe- und Wendepunkt des Weges. Ein Tempel mit vielen Fuchsstatuen. Es brennen Kerzen. Hier ist das unscheinbare Allerheiligste der ganzen Anlage ausgestellt. Ein kleiner runder Spiegel, dunkel und trübe, vermutlich hunderte von Jahre alt. Wir halten kurz inne.
Nachdem wir es bis ganz oben geschafft haben und den Weg nach unten gehen, wird auch deutlich, wie das Geschäftsmodell mit den Torii funktioniert. Jedes der Tore trägt auf seiner Rückseite das Datum seiner Errichtung, eine Widmung oder einen Anlass – das kann ein Firmenjubiläum sein, ein Studienabschluss, eine erhoffte Genesung, es gibt da keine genauen Vorschriften – und den Namen des Sponsors. Genau sind nur die Tarife. Schilder mit den entsprechenden Informationen finden sich in regelmäßigen Abständen entlang des Weges. Es werden fünf Kategorien angeboten, die Preise richten sich nach der Dicke der Balken. Und tatsächlich, wie mir Masae übersetzt, ist keines der Tore älter als 30 Jahre. Fast keines, den es gibt vereinzelt Steintore dazwischen, die hundert Jahre und älter sind. Wer also etwas auf sich hält... Die Preise dafür gibt es sicher auf Anfrage bei der Tempelleitung.
Wir steigen weiter bergab. Der Weg ist gewissermaßen eine Einbahnstraße. Man geht auf dem Rückweg durch andere Tore als auf den Hinweg. Es ist Nachmittag geworden. An bestimmten Stellen gibt es nun herrlich weiches Licht, das die rote Farbe zum Leuchten bringt.
Nachdem wir es bis ganz oben geschafft haben und den Weg nach unten gehen, wird auch deutlich, wie das Geschäftsmodell mit den Torii funktioniert. Jedes der Tore trägt auf seiner Rückseite das Datum seiner Errichtung, eine Widmung oder einen Anlass – das kann ein Firmenjubiläum sein, ein Studienabschluss, eine erhoffte Genesung, es gibt da keine genauen Vorschriften – und den Namen des Sponsors. Genau sind nur die Tarife. Schilder mit den entsprechenden Informationen finden sich in regelmäßigen Abständen entlang des Weges. Es werden fünf Kategorien angeboten, die Preise richten sich nach der Dicke der Balken. Und tatsächlich, wie mir Masae übersetzt, ist keines der Tore älter als 30 Jahre. Fast keines, den es gibt vereinzelt Steintore dazwischen, die hundert Jahre und älter sind. Wer also etwas auf sich hält... Die Preise dafür gibt es sicher auf Anfrage bei der Tempelleitung.
Wir steigen weiter bergab. Der Weg ist gewissermaßen eine Einbahnstraße. Man geht auf dem Rückweg durch andere Tore als auf den Hinweg. Es ist Nachmittag geworden. An bestimmten Stellen gibt es nun herrlich weiches Licht, das die rote Farbe zum Leuchten bringt.
Gegen halb sieben erreichen wir wieder das große Torii am Eingang. Wir sind ein wenig geschafft. Mit einem herzhaften Abendessen geht unser zweiter Tag in Kyoto zu Ende.
Devotionalien – die kleinen Toriis |
Eingang zum Tempelbereich |
Der Fuchs – in Japan ein Götterbote |
Einer der Haupttempel |
Ein Friedhof am Pilgerweg |
Ein Blick auf den Pilgerweg von oben |
Das Allerheiligste – es ist der runde Spiegel im oberen Bilddrittel |
Pause beim Torii-Händler im Kiosk |
Preisliste für die großen Toriis |
Der Pilgerweg mit den Toriis ist mmer wieder inspirierend |
Man fotografiert hier sehr gerne |
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