Etwa fünf Kilometer vor dem Hafen von Ishigaki
liegt die Insel Taketomi. An der breitesten Stelle misst das kleine Eiland
gerade einmal drei Kilometer. Man fährt
mit dem Tragflächenboot hin; in einer viertel Stunde ist man dort.
Taketomi war einst bekannt für die Minsah-Webereien.
Minsah ist ein handgewebter robuster Stoff. Er hat ein Muster aus durchgehenden
helleren Streifen und jeweils vier oder
fünf Rechtecken. Masae war vor fast 40 Jahren schon einmal dort.
Es gab damals nur Sandwege und keine asphaltierten Straßen. Und in jedem Haus, das sie
damals besuchte, wurde Minsah gewebt.
Heute ist Taketomi ein Freilichtmuseum und
gehört zum UNESCO Weltkulturerbe. Es ist vermutlich die einzige Insel des
Ryukyu-Archipels, auf der fast nur einstöckige Häuser, meist im alten Stil
Okinawas stehen, stehen dürfen. Beton, der aktuell bevorzugte Baustoff
Okinawas, ist hier verboten.
Bevor wir nach Taketomi übersetzen, buchen wir
eine Fahrt mit dem traditionellen Ochsenwagen. Am Hafen von Taketomi
angekommen, werden wir freundlich in
Empfang und in Obhut genommen. Man weist uns einen Bus zu, der uns durch die
kleine Siedlung Taketomis kutschiert. Er bringt uns zur Kutschenhaltestelle.
Dort müssen wir warten, bis wir an der Reihe sind. Wir vertreiben uns die Zeit
im Infocenter, wo es allerlei Sachen zu sehen und natürlich zu kaufen gibt. Wir
nehmen einige Artikel aus Minsah-Stoff mit, als Mitbringsel für die Familie zu
Hause. Dann werden unsere Namen ausgerufen. Wir gehen zur Hinterseite des
Infocenters und dort wartet der Ochsenwagen auf uns. Zusammen mit etwa zwölf
anderen Touristen steigen wir ein. Die Kutscherin ist eine freundliche junge
Frau von der Insel. Sie redet laut und lustig, während das Gefährt durch die
Ortschaft zuckelt. Mit dem Wasserbüffel, der den Wagen zieht, redet sie auch.
Dann wird ihre Stimme ganz tief und guttural. Es sein ein freundliches und
gutes Tier, erzählt sie, leicht zu lenken und gutmütig. Kein Vergleich zu manch
anderen, die störrisch und faul seien.
Die Dorfstraßen sind aus weißem Sand, Jedes
Grundstück hat eine Mauer ringsum, der Zugang zum Haus ist breit, doch vor dem Haus steht nochmals eine
Mauer, als Sichtschutz. Die Haustür geht normalerwiese nach Süden, von dort
kommt der Wind her. Die Haustür ist zumeist offen, daher auch die zweite Mauer.
Diese Mauern bestehen meist aus aufgeschichteten Korallenbrocken. In den Gärten
wachsen Mangos und Bananen, Büsche mit rotblühendem Hibiskus, an den Häusern
und Mauern ranken sich leuchtende Wolken von Bougainvilleablüten empor.
Ja, es ist schön hier, aber eben auch hohl.
Das Leben von einst gibt es nicht mehr. Nur die äußere Form wird sorgfältig
gepflegt. Neue Häuser werden gebaut – im alten Stil – aber mit Klimaanlage. Und
so kommen täglich Hunderte von Touristen auf die kleine Insel, werden mit
Ochsenkarren herumkutschiert, kaufen ihre Andenken, machen ihre Fotos und
fahren wieder weg. Für die Einheimischen eine lukrative Sache, auf mich wirkt
der ganze Betrieb sehr zwiespältig.
Nachdem wir den Ochsenkarren wieder verlassen
haben, erkunden wir die Insel zunächst zu Fuß, und nach dem Mittagessen mit dem
Leihrad. Es findet auch echtes Leben hier statt. Wir sehen eine Schule, es gibt
noch Bauern auf der Insel, die Rinder züchten.
Wir radeln zum Kaji-Strand. Der ist berühmt
für den Sternensand. Zwischen den normalen Sandkörnern findet man kleine,
blasige Sternchen. Es sind die Gehäuse winziger Tierchen, Foraminiferen genannt, die im klaren, sauberen
Wasser um die südlichen Ryukyu-Inseln leben. Es gibt den Sternensand aber auch in kleinen Plastiktütchen kaufen, das ist weniger mühsam, als ihn zu suchen.
Leicht findet man hingegen die wuseligen Einsiedlerkrebse, die über den Strand
krabbeln und dabei ihr Schneckenhaus mitschleppen. Wir machen Rast im Schatten dicht
belaubter Bäume, hören dem Meer zu und vergraben die Füße im weißen Sand.
Zwischen den Zehen stecken kleine Sternchen...
Gegen 16 Uhr
fahren wir wieder zurück nach Ishigaki – was übrigens „Steinmauer“ heißt. Heute
Abend gehen wir mit dem Ehepaar Hirata zum Abendessen. Es ist ein gemütliches
Restaurant und es gibt Sushi und Sashimi, alles sehr frisch und richtig lecker.
Es schmeckt lecker – bis auf die rohen Seeschnecken. Die sind knorpelig
und schleimig zugleich. So muss, denke ich, roher Miniskus schmecken.
Auf dem Rückweg reden wir weiter über Ishigaki, Japan, das nahe China. Nicht nur räumlich ist Taiwan hier näher als die Hauptinsel Okinawa Honto, auch von der Mentalität her sind die Leute der südlichen Ryukyu-Inseln den Chinesen verwandt. Iriomote, Ishigaki, Myako und die kleineren Inseln hier wurden von Taiwan aus besiedelt. Und der Südwind weht momentan wieder sehr stark.
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Unterwegs im Ochsenwagen |
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Zugkraft und Führungskraft |
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Mit dem Radl unterwegs |
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Neubauten im alten Stil |
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Einer der vielen Einsiedlerkrebse |
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Der Kaji-Strand |
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Das Schulhaus |
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Rind auf der Weide, mit Kuhreihern und Krähe |
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